Dilem­ma­ta der (Nicht-)Positionierung. Kul­tur­wis­senschaftliche Forschung, Kri­tik und Ver­ant­wor­tung in autoritären Geflechten

Jul162022

Time: 09:30

Loca­tion: Albert-Lud­wigs-Uni­ver­stiät Freiburg

Addi­tion­al event info: Dr. Nurhak Polat & Hagen Steinhauer

Kon­ferenzbeitrag von Dr. Nurhak Polat und Hagen Steinhauer

Im Zuge von zeit­genös­sis­chen Diskus­sio­nen und Diag­nosen zum Ster­ben und Ver­fall von Demokra­tien wer­den wir häu­fig mit dichotomen Vorstel­lun­gen von ‚Autori­taris­mus‘ und ‚Demokratie‘ als ein­deutig abgrenzbaren, sich gegen­seit­ig auss­chließen­den Regierungs­for­men kon­fron­tiert. Empirische Forschung fördert hinge­gen ‚san­fte‘ Übergänge, Ver­flech­tun­gen und ambiva­lente Gle­ichzeit­igkeit­en demokratis­ch­er und autoritär­er Prax­en und Diskurse zutage. Diese äußern sich in der gradu­ellen Aushöh­lung demokratis­ch­er Insti­tu­tio­nen und Prozesse eben­so wie in oft vehe­menten Kämpfen um die (Be-)Deutungen poli­tis­ch­er Grund­be­griffe, Wahrheits­ge­halte und den Sta­tus wis­senschaftlichen Wis­sens. Empirische Forschung­sprax­is ist auf vielfältige Weise – teils intendiert, teils unge­wollt – mit diesen Kämpfen und Ver­schiebun­gen ver­strickt und somit mit der Prob­lematik des ‚Posi­tion-Beziehens’ und ‚Hal­tung-Zeigens’ verwoben.

Den Aus­gangspunkt unseres Beitrages bildet die Beobach­tung, dass sich diese Prob­lematik in Forschun­gen ent­lang des Demokratie/Au­tori­taris­mus-Nexus in beson­der­er Dringlichkeit stellt. Auf eine ganz grund­sät­zliche Weise hat jed­wede (Nicht-)Positionierung wis­sens- und zukun­ft­spoli­tis­che Auswirkun­gen wie ‚Risiken’ zur Folge, beispiel­sweise eine Öff­nung oder Schließung bes­timmter Zugänge und Per­spek­tiv­en, eine akademis­che wie indi­vidu­elle ‚Gefährdung’ oder eine gradu­elle Veren­gung der indi­vidu­ellen wie kollek­tiv­en Posi­tion­ierungs­freiräume. Anhand unser­er empirischen, teils fern-anthro­pol­o­gis­chen Forschun­gen in ‚autoritären Geflecht­en‘ in der Türkei, in Frankre­ich und in Polen möcht­en wir einige Dilem­ma­ta des Posi­tion-Beziehens her­ausar­beit­en. Uns inter­essieren hier­bei ins­beson­dere drei Fragestellungen:

Erstens fra­gen wir nach Verän­derun­gen im Ver­hält­nis zwis­chen Teil­nahme und Reflex­ion als den bei­den Grundbe­standteilen jed­er ethno­grafis­chen Prax­is und Wis­senspro­duk­tion: Ist Dis­tanzierung über­haupt eine Option im Anbe­tra­cht kon­tinuier­lich­er Angriffe auf demokratis­che Insti­tu­tio­nen oder Wis­senschafts­frei­heit? Und wie gestal­ten sich Räume der Reflex­ion und Teilnahme?

Zweit­ens erkun­den wir Möglichkeit­en ein­er ‚kri­tis­chen Hal­tung‘ in Kon­tex­ten, in denen Begriffe und Wis­sens­bestände kri­tis­ch­er Forschung regelmäßig durch autoritäre Akteur*innen angeeignet und umgedeutet werden.

Und drit­tens disku­tieren wir ‚Hal­tung zeigen’ als eine Suche nach Per­spek­tiv­en und Möglichkeit­en für eine „antizipa­torische Ethno­grafie“ (Knecht 2009). Wir fra­gen danach, inwiefern eine empirische Kul­tur­wis­senschaft in und gegenüber autoritären Geflecht­en und Zeit­en vorstell­bar und mach­bar ist, die wed­er ‚alarmistisch’ auf die aktuellen all­t­ags- und forschungspoli­tis­chen Prob­leme hin­deutet, noch diese durch ‚beschreibende’ Analy­sen ‚nachvol­lzieht’, son­dern antizip­iert, zukun­ft­sori­en­tiert mitwirkt und interveniert.

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Hagen SoftAuthoritarianisms